Der Kanal zwischen den Meeren ist grün

Von Shahar Ilan

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In einigen Jahrzehnten wird das Tote Meer womöglich zur tiefsten Salzwildnis der Erde geworden sein. Womöglich wird es die tiefste Salzpfütze der Welt werden. Touristen mit Geschmack an ökologischen Desastern werden an speziellen Touren teilnehmen, die die Sickergruben und überschwemmten Hotels beinhalten. Und gewiss wird jeder die Regierung für das historische Versagen beschuldigen. Tatsächlich besteht jedoch die nahe liegende Aussicht, dass zu den primären Verursachern der endgültigen Zerstörung des Toten Meeres ausgerechnet einige grüne Organisationen gehören werden.

Es gibt heute nur eine wirkliche Möglichkeit zur Rettung des Toten Meeres: das Projekt des Kanals zwischen den Meeren und des „Peace Valley“, das Israels Präsident Shimon Peres und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in der kommenden Woche ausrufen möchten. Aber Umweltschutzorganisationen, allen voran die Organisation „Friends of the Earth – Middle East“ (FoEME), bekämpfen das Projekt. Sie wollen es aufhalten, um Prüfungen der Umwelteinflüsse und andere Prüfungen durchzuführen, die ihrem Wesen nach zu Hindernissen und dazu führen, dass Projekte in Schubladen verschwinden.

Die Opponenten ähneln dabei einem Familienangehörigen, der sich weigert, seinen zwischen Leben und Tod schwebenden Liebsten operieren zu lassen, da die Operation zu einer Narbe führen könnte. Es wäre interessant zu wissen, vor welcher ökologischen Katastrophe genau sie sich fürchten? Vor der Beeinträchtigung des einzigartigen Austrocknungsprozess des Toten Meeres? Vor dem Verschwinden des seltenen Phänomens der Sickergruben? Mit dem Wasser vom Roten Meer könnte dort eine erneuerte Ökologie geschaffen werden. Wenn jedoch eine große Protestbewegung entsteht, wird dies womöglich nie geschehen.

Sonnenaufgang über dem Toten Meer
Sonnenaufgang über dem Toten Meer

Die „Friends of the Earth“ behaupten, dass die Alternative zur Erneuerung des Toten Meeres mittels Süßwasserzufuhr aus dem See Genezareth nicht ernsthaft geprüft werde. Das stimmt. Auch die Möglichkeiten, das Tote Meer in eine regenreichere Region zu verlagern oder ihm den Strom der Donau zuzuführen, sind nicht ernsthaft geprüft worden. Laut Angaben des Geologischen Instituts würde man 850 Millionen Kubikmeter Wasser allein dazu benötigen, das Absinken des Wasserspiegels aufzuhalten. Die Rede ist von mehr als der Hälfte des israelischen Trinkwasserverbrauchs. Es wäre interessant zu wissen, warum nicht erwogen wird, diese ins Tote Meer zu pumpen.

Der Milliardär Yitzhak Tshuva möchte entlang des „Peace Valley“, durch das der Kanal fließen soll, Seen, Hotels, einen Safaripark und Vergnügungszentren bauen. Die Opponenten sagen, dass die Arava keine Wildnis ist, die zum Leben erweckt werden muss, sondern eine in landschaftlicher Hinsicht bedeutende und weltweit einzigartige Region. Es ist so, als ob man sich lediglich des grünen Jargons bedienen müsste, um wirklich jemanden davon zu überzeugen, dass der leere Landstrich ein attraktives landschaftliches Schmuckstück ist, das man nicht antasten darf. Oder dass das Graben von Seen, der Bau von Hotels und das Herbeilocken tausender Israelis und wer weiß wie vieler Touristen in einem kleinen Teil des Gebietes eine schlechte und schädliche Sache sei.

Die Umweltorganisationen müssen einen völlig anderen Ausgangspunkt wählen: nicht, wie der Kanal zu stoppen ist, sondern wie das Projekt ermutigt und bei geringstmöglichem Schaden für die Umwelt verwirklicht werden kann – möglichst harmonisch, möglichst freundlich gegenüber Mensch und Natur, möglichst unproblematisch. Ansonsten könnte der Eindruck entstehen, dass es so wie die Ultraorthodoxen auch einige Umweltschutzorganisationen gibt, die davon überzeugt sind, dass die Thora alles neue verbietet.

Auch sollte man folgendes bedenken: So wie die wirkliche Sicherheitszone zwischen Israel und Ägypten der Hotelstreifen an den Stränden des Sinai ist, wäre der Kanal zwischen den Meeren die wirkliche Sicherheitszone zwischen Israel und Jordanien. Was wirklich die Beziehungen zwischen den Staaten sichern würde, wäre das Gefühl, etwas zu verlieren zu haben. Der Frieden hat viele Vorteile, und u. a. ist er wunderbar grün; Die Brände in den Wäldern Galiläas während des zweiten Libanonkriegs haben uns daran erinnert, wie schwarz der Krieg sein kann.

Eines der größten Probleme Israels in den nächsten Jahrzehnten wird die Angst vor der Vision und vor zu großen Unternehmungen sein. Eine Vision bringt mit sich Hoffnung und Stolz, zwei Dinge, die der israelischen Öffentlichkeit heutzutage sehr fehlen. Der Kanal zwischen den Meeren ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Angst vor der Vision zu zerstreuen und uns daran zu erinnern, dass wir nicht weniger zu zerstören als zu entwickeln vermögen, dass wir unseren Nachbarn Nutzen bringen können und nicht nur Schaden, und dass ganz Israel ein einziges großes megalomanes Projekt ist, das sich als großer Erfolg erwiesen hat.

(Haaretz, 18.06.08)

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