Vom Mut der Journalisten dem „Schwarzen Block“ gegenüber

2020-09-01

Offener Brief an den Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalisten-Union

Am 2020-08-31 prangerte Landesgeschäftsführer Jörg Reichel in einer Pressemitteilung der dju zu recht die vollkommen inakzeptablen Übergriffe gegen Journalisten an. Ich schrieb ihm darauf den folgenden offenen Brief.

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Sehr geehrter Herr Reichel,

natürlich haben Sie vollkommen recht, das Beschimpfen und Bedrohen von Journalisten ist vollkommen inakzeptabel und muß verfolgt und bestraft werden – auch dann, wenn diese Journalisten sich aus einer Demonstration von 20 000 Personen gezielt ein abseitiges Grüppchen von Spinnern herauspicken und diese dann als repräsentativ für alle darstellen.

Was Sie hier aber verschweigen und in Ihrem Framing gezielt nicht sagen, ist, daß es eben diesen Journalisten nicht im Traum einfiele, sich bei „linken“ Demonstrationen auch nur in die Nähe der „Schwarzen Blöcke“ zu wagen. Der „Sturm“ auf die Reichstagstreppe wurde von drei einsamen Polizisten gestoppt. Die „Horde“ der „Chaoten“ hat sich Weisungen der Obrigkeit widerstandslos gefügt. Es gab keine einzige, nicht einmal eine leichte Verletzung und nicht die geringste Sachbeschädigung. Stammen die Berichte darüber wirklich von denselben Journalisten, für die regelmäßig Nächte mit 20 zerstörten Fensterscheiben, drei brennenden Autos und einem halben Dutzend Behandlungen in der Krankenhausambulanz „friedlich und ohne Zwischenfälle“ verlaufen?

Dennoch, in Bezug auf gewalttätige Verbrecher bin ganz auf Ihrer Seite. Das war ich auch schon bei den Friedensdemonstrationen von 1981. Ich widersprach in Bezug auf Steinewerfer schon damals der Meinung „natürlich ist das falsch, aber die gehören zu ‚uns‘, die können wir doch nicht ‚denen‘ [der Polizei] ausliefern“. Meine Position dazu war und ist:

Diese Leute schaden mir, uns, und meinem Anliegen, für das ich heute demonstriere, weit mehr, als es der politische Gegner je könnte. Die gehören ganz gewiß nicht zu „uns“.

Schon damals bekam ich für diese Position nur sehr selten einmal wenigstens halbherzige Zustimmung. Wo es um Linke geht, sehen auch Sie es unverändert genauso wie meine Gesprächspartner damals. (Ich weiß nicht, wie alt Sie sind, vielleicht gehören Sie dazu.) So recht Sie mit Ihrer Aussage also unbestritten haben, bleibt doch unübersehbar, daß Sie mit diesem Maßstab konsequent nur die eine Seite des Spektrums messen. Das ist und bleibt zutiefst unredlich.

Mit freundlichen Grüßen
Axel Berger

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